Hier einmal ein etwas anderer Tagesbericht aus dem Leben eines unserer ehemaligen Schützlinge:
Er konnte sie nur durch einen kleinen Türspalt
sehen. In der Hand hielt sie ein Messer und eine Zucchini. Jetzt ging
sie in die Küche. Catman schauderte es – er wusste, was jetzt passieren
würde, er hatte es schon zu oft miterlebt. Das Monster würde die vor
Angst zitternde Zucchini töten. Doch nicht nur dass, die Psychopathin
würde sie in kleine Scheiben zerteilen und in siedendem Öl zu Tode
braten. In ihrem Blutdurst würde sie sich auch an den wehrlosen Tomaten
vergreifen, die sie bereits aus ihrem Kerker zum Schlachtort
transportiert hatte. Ohne mit der Wimper zu zucken würde sie die kleinen
roten Bällchen in kochendes Wasser schmeißen und dann bei lebendigem
Leibe häuten. Begleitet wurde das Gemetzel durch leise Klaviermusik –
das Monster ergötzte sich bei seinem blutigen Werk an Mozart.
Plötzlich
zuckte Catman zusammen. Er hörte Schritte, die sich auf die Tür
zubewegten, hinter der er saß. Unwillkürlich stellten sich seine
Nackenhaare auf. Bisher hatte sich die Teufelin nur an Gemüse vergangen,
aber vielleicht genügte ihr das nicht mehr. Schlagartig wurde ihm
bewusst, dass er sich in allerhöchster Gefahr befand. Er musste
schleunigst von hier verschwinden. Die Schritte kamen immer näher, und
als er gerade zum rettenden Sprung unter das Bett ansetzte, fiel ein
Schatten auf ihn. Das Monster hatte ihn entdeckt….
PATTACHEN, WAS IST DENN MIT DIR LOS, DU SIEHST JA AUS, ALS HÄTTEST DU EIN GESPENST GESEHEN!
(Patta verschwindet unter dem Bett.)
Er
arbeitet gerade an seinem neuen Thriller „Das Schweigen der Tomaten“.
Da geht es um eine gemüsemordende Psychopathin, der Catman das Handwerk
legen muss.
CATMAN?
Ja, so heißt der Held, ein außergewöhnlich schlauer und mutiger schwarzer Kater.
SITZT DER ZUFÄLLIG GERADE UNTER DEM BETT?
Er ist eben ein Autor, der sich hundertprozentig in seine Figuren hineinversetzt.
NA DANN WIRD DAS BESTIMMT EIN BESTSELLER.
Hoffentlich. Sein erstes Buch war ja nicht so der Knüller. Ein Ratgeber über Schnurrbarthaarausfall.
(Patta kommt unter dem Bett hervor.)
Wusstet
ihr, dass mehr als 60% aller erwachsenen Katzen mindestens einmal im
Leben darunter leiden? Das ist sogar noch häufiger als Burnout.
BURNOUT BEI KATZEN? DAS WÄRE JA WIE FLUGANGST BEI VÖGELN.
Du hast ja keine Ahnung, wie anstrengend das Leben als Katze ist.
VOR ALLEM, WENN MAN IMMER AUF DER FLUCHT VOR GEMÜSEMORDENDEN ZWEIBEINERN SEIN MUSS.
Wir müssen zum Beispiel unser Revier verteidigen.
GEGEN WEN MUSST DU DENN DEIN REVIER VERTEIDIGEN?
Gegen den Heizungsmann.
DER KOMMT ZWEIMAL IM JAHR.
Wir müssen unsere Familien beschützen.
VOR DEM HEIZUNGSMANN?
Auch. (Patta schaut verunsichert.)
Wir müssen verdauen. Das ist Schwerstarbeit.
Und unsere Rivalen verjagen.
DIE DA WÄREN? SAG JETZT NICHT DER HEIZUNGSMANN.
Mann Mama, du nimmst uns wieder mal überhaupt nicht ernst.
ALSO ALS ICH AM FREITAG EURE VERWANDTSCHAFT IM ZOO BESUCHT HABE, HATTE ICH NICHT DEN EINDRUCK, DASS SIE UNTER BURNOUT LEIDEN.
Du hättest ja mal fragen können.
DAS
GING LEIDER NICHT. SÄMTLICHE LÖWEN, TIGER, LEOPARDEN UND LUCHSE
BEFANDEN SICH AUF DEM RÜCKEN IN DER SONNE LIEGEND IM TIEFSCHLAF.
Wahrscheinlich mussten sie vorher Antilopen jagen.
IM ZOO WERDEN KEINE ANTILOPEN GEJAGT. DA GIBT’S CONVENIENCE FOOD.
Manchmal gibt’s aber auch frische Giraffe.
GENAU. THE TASTE OF AFRICA.
Wenn dieser ölige Nachgeschmack nicht wäre.
WOHER WEISST DU DENN, WIE GIRAFFE SCHMECKT?
Mein
Gott, man isst ja nicht immer nur daheim sein Mäusegulasch. Ab und an
gönnt man sich halt auch mal ein Dinner beim Afrikaner.
ICH STELLE MAL WIEDER FEST, DASS DU EINE BLÜHENDE PHANTASIE HAST.
(Pito schaut gähnend aus seinem Körbchen hoch.)
Mama, ich glaube, deine Tomatenleichen verbrennen gerade auf dem Herd.
(Mama stürzt in die Küche.)
Komme ich in deinem Buch eigentlich auch vor?
Die Rolle als unterwürfiger Mops wäre noch zu besetzen. Er ist das Maskottchen der Psychopathin.
Ich will aber kein Mops sein.
Du
könntest auch den schwulen Bruder von Catmans Traumfrau sein. Er ist in
üble Machenschaften verwickelt und verdient sein schmutziges Geld mit
Junggemüsehandel.
Kann
ich nicht dein kleiner Bruder sein? Wir sind Heimkinder, die sich auf
der Straße durchschlagen mussten und dabei zu Helden geworden sind.
Also
erstens bin ich hier der Held, sonst niemand. Heimkinder, so ein
Quatsch. Einen etwas minderbemittelten Bruder könnte ich mir aber
durchaus vorstellen. Einer, der immer ins Essen sabbert und Angst vor
Mäusen hat.
WER SABBERT INS ESSEN?
Pattas minderbemittelter Bruder.
DU HAST EINEN BRUDER?
Er ist schwul und vertickt junges Gemüse, weil er im Heim war.
Forget it. Mit solchen Literaturbanausen wie euch unterhalte ich mich doch gar nicht.
(Patta rollt die Pfoten ein und schließt die Augen.)
Ich
esse jetzt auf jeden Fall meine toten Tomaten. Wenn ihr auch Hunger
habt, kann ich ja mal nachschauen, ob noch etwas Giraffe im Eisfach ist.
(Kater schnarchen leise vor sich hin.)
Soviel zum Burnout bei Katzen. Tschüss Tina!